Aufwind aus Portugal?

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Gabriele Bischoff

von Gaby Bischoff, Mitglied des Europäischen Parlaments

Welche Fortschritte in der EU-Sozialpolitik wir unter dem portugiesischen EU-Vorsitz erwarten können

„Time to deliver“ („Zeit, um abzuliefern“), so lautet das Motto der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft. Mit diesem verheißungsvollen Versprechen haben die portugiesischen Sozialdemokrat*innen den Staffelstab von der deutschen Bundesregierung übernommen. Die portugiesische Regierung hat ein straffes Programm für die kommenden sechs Monate unter ihrem Vorsitz vorgelegt. Natürlich steht diese Zeit weiter im Zeichen der Bekämpfung der Corona-Pandemie und ihrer Folgen. Zusätzlich hat sich die portugiesische Regierung zum Ziel gesetzt, sozialpolitische Vorhaben voranzutreiben, an denen wir Sozialdemokrat*innen seit Jahren arbeiten.

Dieser Anstoß in der EU-Sozialpolitik kommt genau zur richtigen Zeitpunkt. Wir erleben derzeit die schlimmste Gesundheits- und Wirtschaftskrise in der Geschichte der Europäischen Union. Die Pandemie verschärft Armut, Arbeitslosigkeit und Ungleichheit. Deshalb ist jetzt die Zeit gekommen, um zu handeln und die Europäische Säule Sozialer Rechte endlich in die Tat umzusetzen. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie konfrontieren uns mit einer Welle von Insolvenzen und Restrukturierungen, die nicht an Ländergrenzen haltmacht. Deshalb müssen wir dringend die soziale Absicherung der EU-Bürger*innen stärken. Bereits jetzt sind fast 119 Millionen Menschen in der Europäischen Union von Armut bedroht. Auch in Berlin beobachten wir einen Einbruch im Stellenmarkt, der uns vor Herausforderungen stellen wird. Eine europäische Arbeitslosenrückversicherung, europäische Mindeststandards bei der Grundsicherung, ein Rechtsrahmen für armutsfeste europäische Mindestlohne – diese Instrumente brauchen wir jetzt dringender denn je.

Unter der portugiesischen Ratspräsidentschaft wird deshalb am 7. Mai ein Sozialgipfel in Porto stattfinden, bei dem ein Aktionsplan zur Umsetzung der Säule verabschiedet werden soll. Politische Zielvorgaben reichen nicht mehr aus. Wir brauchen jetzt wirksame politische Maßnahmen, um europaweit soziale Rechte für die Bürger*innen durchzusetzen. Der Aktionsplan für die Europäische Säule Sozialer Rechte muss dafür kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen und Gesetzesinitiativen sowie ein ausreichendes Budget enthalten.

Der Sozialgipfel in Porto kann ein echter Kurswechsel in der europäischen Sozialpolitik sein. Die politischen Vorstöße unter dem portugiesischen Ratsvorsitz können allerdings nur dann fruchten, wenn die Zivilgesellschaft und die europäischen Sozialpartner nicht nur konsultiert, sondern wirklich einbezogen werden. Zusätzlich zum Sozialgipfel brauchen wir eine dauerhafte Plattform für die Beteiligung von Arbeitnehmer*innen und Bürger*innen an politischen Entscheidungen in der EU-Politik. Deshalb blicke ich mit Zuversicht auf die Konferenz zur Zukunft Europas, die in allen Regionen der EU eine solche niedrigschwellige Plattform bietet. Auch für Berlin sind bereits Kampagnen und Diskussionen geplant. Ich freue mich darauf, bald mit vielen Berliner*innen zu bewerten, ob uns der Aufwind aus Portugal einem sozialen Europa nähergebracht hat und welche Schritte wir als nächstes unternehmen müssen.


erschienen in Forum Nr. 105, März 2021

Bessere Arbeitsbedingungen für Plattformarbeiter*innen

EU arbeitet an europaweitem Standard für Arbeitnehmer*innen

Uber, Lieferando und co. – diese Plattformen geraten zunehmend wegen ihrer schlechten Arbeitsbedingungen unter Druck. Immer mehr Gerichte urteilen, dass Plattformarbeiter*innen als Arbeitnehmer*innen gelten und deshalb Anspruch auf alle Rechte haben, die damit einhergehen. EU-Beschäftigungskommissar Nicolas Schmit hat es sich bereits zu Beginn seiner Amtszeit zur Aufgabe gemacht, die Arbeitsbedingungen für Plattformarbeiter*innen zu verbessern.

Die Europäische Kommission hat am 24. Februar mit der Konsultation der Sozialpartner zu einem möglichen Gesetzesvorschlag, der Plattformarbeit in der EU regulieren könnte, begonnen. In einem ersten Schritt wurde die Position der Europäischen Sozialpartnerverbände zu dieser Initiative der Kommission abgefragt und diskutiert. In der anschließenden zweiten Stufe steht der Inhalt der möglichen Regulierung im Vordergrund.

Auch das Europäische Parlament hat einen Initiativbericht zur Plattformarbeit erarbeitet, der im Juni im Beschäftigungsausschuss und anschließend im Plenum verabschiedet werden soll. Darin wird unter anderem eine weitreichende Definition des Arbeitnehmer*innenbegriffs gefordert, um damit verbundene Rechte auf Plattformbeschäftigte auszuweiten. Neue Studien der Kommission zur Plattformarbeit zeigen, dass viele Plattformbeschäftigte aktuell unter einem unklaren Arbeitnehmerstatus, fehlendem Schutz vor Diskriminierung und ein Mangel an Weiterbildungsmöglichkeiten leiden.

Gaby Bischoff, Berliner EU-Abgeordnete, spricht sich für eine EU-Richtlinie aus, mit der europaweit Standards in der Plattformarbeit gesetzt und gleichzeitig die unterschiedlichen Ausgangslagen in den Mitgliedstaaten berücksichtigt werden: „Nicht nur bei Uber muss gelten, dass Plattformbeschäftigte die gleichen Rechte haben, wie alle anderen Arbeitnehmer*innen. Nur wenn alle Bereiche der Plattformökonomie in die Verantwortung gezogen werden, können wir faire Arbeitsbedingungen, starke Arbeitnehmer*innenrechte und soziale Absicherung in allen Bereichen unserer Wirtschaft erreichen.“


erschienen in Forum Nr. 105, März 2021