Bezirke unterm Radar

Meinung von Sascha Schug, Vorsitzender der SGK Berlin

Sascha Schug

Die Wiederholungswahl am 12.02. hat auch in den Bezirken zu Verlusten der SPD geführt. In keinem Bezirk ist die SPD noch stärkste Kraft, das Ergebnis wird zu den Verlusten vom 6 sozialdemokratischen Stadträt*innen führen.

Zu diesem Punkt gibt es jetzt aber noch einige Konfusion. Bis kurz vor der Wahl hieß es, dass die bisher gewählten Stadträt*innen aus beamtenrechtlichen Gründen, trotz der Wiederholungswahl bis zum Ende der Wahlperiode 2026 im Amt bleiben. Das Urteil des Verfassungsgerichtes ging auf diese Problematik überhaupt nicht ein. Es hätte allen Beteiligten aber schon früher klar sein können, dass es politisch nicht durchhaltbar ist das Wahlergebnis der Wiederholungswahl nicht auch in den Bezirksämtern abzubilden.

Ob die Versuche im Abgeordnetenhaus, die verfahrene Situation mit einem neuen Gesetz zu lösen, erfolgreich sein werden bleibt abzuwarten. Die Schwierigkeit liegt ja darin, dass es rückwirkend gelten soll. Hier sind neue Klagen zu erwarten, und die Situation in den Bezirken wird von weiterer Unsicherheit geprägt sein. Es ist zu befürchten, dass dieser Zustand zu weiterer Politikverdrossenheit führt. Und die gute Arbeit der SPD Kommunalpolitiker*innen wird weiter zu wenig wahrgenommen werden.

Immerhin hat der Senat noch kurz vor der Wahl Schritte zu einer Verwaltungsreform unternommen. Es muss eine klarere Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bezirksebene und Landesebene geben. Ich denke, dass die Bezirke davon profitieren werden, auch wenn einige Zuständigkeiten auf die Landesebene gehen sollten. Für mich ist das ein entscheidender Punkt bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen, welche Parteien Sie auch miteinander führen werden. Es bleibt auch abzuwarten, ob eine Verfassungsänderung möglich sein wird, um politische Bezirksämter einzuführen. Ich hoffe es, damit wir auch in den Bezirken zu klaren politischen Verantwortlichkeiten kommen.

Es bleibt also spannend, und die Bezirkspolitiker in der SPD müssen sich Gehöhr verschaffen.


Ruhestand oder Abwahl – das ist hier die Frage

Anmerkung von Norbert Przesang, Mitglied des Vorstands der SGK Berlin

Bereits seit dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes Berlin ist allen Beteiligten bekannt, dass es hinsichtlich der Bezirksbürgermeisterinnen und Bezirksbürgermeister sowie bei den weiteren Hauptamtlichen zu Irritationen kommen wird.

Nach der aktuellen Rechtslage sind sie bis zum Ende der Wahlperiode gewählt und können nur durch eine Abwahl mit 2/3 Mehrheit ihrer Ämter enthoben werden. Genauso klar war, dass es in den meisten Fällen kaum zu einer Abwahl kommen wird. Der wissenschaftliche Dienst des Abgeordnetenhauses hat sich dieser Frage nicht angenommen, wohl auch, weil er keinen entsprechenden Auftrag aus dem Parlament bekommen hatte.

Es gab zwar schon eine Weile einen Entwurf über ein Bezirks-amtsmitgliedergesetz, das dieses Dilemma auflösen sollte. Damit würden die bisherigen Bezirksamtsmitglieder in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, wenn die Mehrheitsverhältnisse in der BVV sich ändern. Inzwischen ist das Ergebnis der Wiederholungswahl auf dem Tisch und die Mehrheitsverhältnisse haben sich wie erwartet geändert.

Da werfen sich zwei Fragen auf:

  1. Die Bezirksamtsmitglieder waren für die Dauer der Wahlperiode rechtmäßig gewählt. Mit der Wahl und der Ernennung ist ein rechtsgültiger (!) Verwaltungsakt vollzogen worden. Diesen nachträglich quasi aufzuheben, dürfte aufgrund des erst nach der Wiederholungswahl ergehenden Gesetzes unbegründet sein.
  2. Verfassungsgemäß dürfen belastende Gesetze (hier zum Nachteil der gewählten Bezirksamtsmitglieder) nicht rückwirken.

Auf Klagen betroffener BA-Mitglieder bin ich gespannt.


erschienen in Forum Nr. 108, März 2023