Die Einrichtung einer unabhängigen staatlichen Beschwerdestelle ist sinnvoll

Gespräch mit Dr. Alexander Oerke, Bürger- und Polizeibeauftragter des Landes Berlin

Im Juni 2022 wurde Dr. Alexander Oerke vom Abgeordnetenhaus in sein neues Amt gewählt, seit 1. August geht er ganz offiziell der Aufgabe nach. Die „Deutsche Polizei (DP)“, Zeitschrift der Gewerkschaft der Polizei (GdP), hat mit Berlins Bürger- und Polizeibeauftragtem gesprochen. Wir drucken das Interview vom Oktober 2022 hier mit freundlicher Genehmigung der GdP nach. Das Gespräch führte DP-Landesredakteur Benjamin Jendro.

DP: Lieber Herr Dr. Oerke, warum braucht das Land Berlin einen Bürger- und Polizeibeauftragten?

Oerke: Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass die Kontrolle behördlicher Vorgänge im Interesse der Bürgerinnen und Bürger durch eine unabhängige Einrichtung gestärkt und Konflikte mit Behörden möglichst niederschwellig im Dialog gelöst werden sollen. Dies dürfte das Vertrauen in den Staat und seine Einrichtungen stärken und damit mittelbar auch unserer Demokratie zugutekommen. Ich halte das für eine sehr gute Idee, die auch in anderen Bundesländern in ähnlicher Form verfolgt wird.

Was genau sehen Sie als Ihre Aufgaben?

Ausgehend von der Aufgabenstellung des Gesetzgebers sehe ich einen Mehrwert meiner Ombudsstelle darin, eine möglichst unkomplizierte Beschwerdemöglichkeit zu eröffnen, die auf den persönlichen Kontakt und das Gespräch mit den beschwerdefüh renden Personen setzt. Ich gehe davon aus, dass „Erklärung und Beratung“ einen Großteil der Sacharbeit ausmachen wird.

Was war Ihre Motivation, sich auf diese Stelle zu bewerben?

Ich halte – wie gesagt – die Einrichtung einer unabhängigen staatlichen Beschwerdestelle für sinnvoll, weil immer ein fader Beigeschmack mitschwingt, wenn man sich selbst auf Fehlverhalten untersuchen soll. Außerdem wollte ich nicht länger – wie als Richter – erst dann mit Problemen befasst werden, wenn einvernehmliche Lösungen nur noch schwer zu erreichen sind. Zudem reizte mich die Aufgabe, eine selbstständige Behörde aufzubauen und zu organisieren. Hierbei kann ich meine langjährige berufliche Erfahrung als Verwaltungsrichter und in der Verwaltung einbringen.

Wie waren Ihre ersten Wochen in der Niederkirchner Straße?

Zunächst bin ich dem Abgeordnetenhaus dankbar, das mich übergangsweise mit einem Büro ausgestattet hat, bis ich eigene Räumlichkeiten habe. Hiermit rechne ich ab Oktober 2022. Zurzeit liegt mein Fokus auf organisatorischen Fragen, d. h. es müssen die erforderlichen Büroräume gefunden und eingerichtet, geeignete Mitarbeitende gesucht und eingestellt werden und natürlich bedarf es auch einer leistungsfähigen Informationstechnologie (Telefon, EMail, Internetanbindung, Fachanwendung, Datenbanken etc.). Da es sich um eine neue und selbstständige Behörde handelt, ist dies eine große Herausforderung, die ohne die Hilfe, die ich von anderen Stellen erhalte (u. a. Skzl, SenInnDS, SenFin, BIM, LVwA und Bln DSB), nicht zu bewältigen wäre. Daneben versuche ich, mich bei möglichst vielen Einrichtungen, Verbänden und Organisationen bekannt zu machen und mich mit diesen zu vernetzen.

Was ist denn bisher so bei Ihnen eingegangen?

Mit dem Sekretariat des Petitionsausschusses habe ich vereinbart, dass mir als Bürgerbeauftragten zunächst nur die Beschwerden und Petitionen zugeleitet werden, in denen dies ausdrücklich verlangt wird. Diese Eingänge werden, wenn die Ombudsstelle über Räume und Personal verfügt, schrittweise aufgestockt. Als Polizeibeauftragter habe ich schon einige Beschwerden erhalten und zum Teil bereits abgeschlossen. Ich versuche, diese zeitnah zu beantworten. Angesichts meiner organisatorischen Aufgaben bin ich ganz froh, dass zurzeit noch nicht so viel eingeht. Aber das dürfte sich bald ändern.

Beschwerdemanagement, LADG, Bürger- und Polizeibeauftragter – man könnte meinen, es gäbe viele parallele Strukturen, bei denen man polizeiliches Fehlverhalten anprangern kann ...

Das ist grundsätzlich richtig. Allerdings hat eine unabhängige Beschwerdestelle – abgesehen von der LADG-Ombudsstelle – mit entsprechenden Untersuchungsbefugnissen bisher gefehlt. Zudem möchte ich mit den genannten Stellen und auch mit nicht staatlichen Organisationen und Betroffenenvertretungen eng zusammenarbeiten. Dies gilt auch für die Beratungsstelle für Konfliktmanagement, die ich neulich besuchen konnte.

Welche Rolle spielt die mittlerweile beendete Studie zur Polizei, die sich als Bestandteil des Elf-Punkte-Plans mit der Frage nach rechtsextremen Verhaltensweise beschäftigen sollte?

Sie ist ja noch nicht final veröffentlicht, aber selbstverständlich werde ich mich mit ihr beschäftigen. So schlecht kommt die Berliner Polizei da gar nicht weg. Grundsätzlich aber muss eine neue Behörde bei null anfangen und eigene Ansätze entwickeln, insofern spielt die Studie keine Rolle für meine Arbeit.

Wie genau können wir uns die Strukturen der neue Stelle vorstellen, aus wie vielen Personen soll sie sich denn genau zusammensetzen?

Der Haushaltsgesetzgeber hat mir dankenswerterweise 16 Stellen zugebilligt. Diese gilt es sukzessive zu besetzen. Inwiefern dies auskömmlich sein wird, kann ich noch nicht sagen. Der grobe Aufbau der Behörde wird sich in eine Büroleitung, einen zentralen Dienst sowie die beiden Zweige des Bürger- und des Polizeibeauftragten untergliedern. Ob sich diese Geschäftsverteilung bewährt, wird man sehen.

Die GdP hat sich stets dafür ausgesprochen, auch polizeiliche Expertise einzubinden. Wie sieht es damit aus?

Ich stehe bereits mit zwei Beschäftigten aus der Berliner Polizei im Austausch, die sich auch aktiv für eine Rolle beim Bürger- und Polizeibeauftragten beworben haben. Für die Stelle ist polizeiliche Expertise wichtig, weil es auch darum geht, Strukturen nachvollziehen zu können. Die beiden haben Lust darauf und ich freue mich auf die Unterstützung. Ob das dann in Form einer Abordnung oder auf anderen Wegen passiert, wird sich in den kommenden Monaten klären.

Welchen Rucksack an Erfahrungen mit Polizisten und polizeilichem Handeln bringen Sie aus 18 Jahren am OVG mit?

Der u. a. für das Polizei- und Ordnungsrecht zuständige 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, dem ich über zehn Jahre angehört habe, hatte vergleichsweise wenig „Polizeifälle“ aus Berlin; den Schwerpunkt hierbei bildeten versammlungsrechtliche Eilverfahren, die in den letzten Jahren verstärkt vorkamen. Dennoch glaube ich einen ganz guten Einblick in die polizeilichen Aufgaben zu haben. Diesen Eindruck vertiefe ich derzeit durch Hospitationen bei verschiedenen Stellen (LPD, LKA Praev, PPR BeKom, ELZ u. a.).

Glauben Sie, dass mehr externe oder mehr interne Beschwerden bei Ihnen ankommen?

Interne Beschwerden (Eingaben von Polizeibediensteten) können nur an den Polizeibeauftragten gerichtet werden. Ausgehend von den Statistiken des Petitionsausschusses und der internen Beschwerdestelle der Polizei (IR 4) werden Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern den ganz überwiegenden Teil der Beschwerden an den Polizeibeauftragten ausmachen.

Glauben Sie, in der Berliner Polizei gibt es einen Korpsgeist, der das Aufdecken von Fehlverhalten und auch Straftaten erschwert bzw. verhindert?

Hierüber wird in der Wissenschaft berichtet und auch Teile der Politik und die Betroffenenverbände sehen dies so; ich selbst kann mir darüber noch kein Urteil erlauben. Aber das wird sich ändern.

- - -

Kontakt:

Bürger- und Polizeibeauftragter des Landes Berlin
Alt-Moabit 60
10555 Berlin
Tel. 0 30 / 9 01 72 – 85 00
Web www.berlin.de/buerger-polizeibeauftragter


erschienen in Forum Nr. 108, März 2023