Krieg gegen die Ukraine: Ein geeintes und soziales Europa als Schutzschirm für die Menschen

Aus SGK Berlin
Gabriele Bischoff

von Gaby Bischoff, Mitglied des Europäischen Parlaments

Sorgt ihr euch, ob ihr weiter die Heiz- und Stromkosten stemmen könnt? Habt ihr Bauschmerzen nach dem Wocheneinkauf, weil die Summe auf dem Einkaufszettel jedes Mal höher wird? Der Krieg in der Ukraine hat spürbare Folgen – auch bei uns.

Die Ukrainer*innen, die ihre Angehörigen verlieren und aus ihrer Heimat vertrieben werden zahlen den höchsten Preis des russischen Angriffskriegs. Das steht außer Frage. Die steigenden Preise für Sprit, Strom und Lebensmittel kommen aber in allen Haushalten in Europa an. Dabei geht es nicht um Luxusartikel, sondern um Produkte des täglichen Bedarfs. Wer kann diese Preissteigerungen stemmen? Familien, die von der Pandemie ausgelaugt sind, müssen jetzt nach Sonderangeboten im Supermarkt suchen und den geplanten Sommerurlaub verschieben. Währenddessen fahren Spekulanten an den Energiemärkten große Gewinne ein.

Es ist gut, dass auf nationaler Ebene Entlastungsmaßnahmen beschlossen werden. Aber die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des Kriegs betreffen jedes Land in der EU. Wir müssen eine soziale Spaltung in Europa um jeden Preis verhindern, um angesichts der wachsenden geopolitischen Spannungen auf stabile europäische Gesellschaften zählen zu können. Deshalb müssen die EU-Staaten koordiniert vorgehen. Arbeitsplätze und Kaufkraft in allen Mitgliedstaaten zu sichern, sollte Priorität haben.

In Ungarn sehen wir, was passiert, wenn einzelne Länder Politik mit Scheuklappen machen. Orbáns Regierung hatte im vergangenen November einen amtlich festgesetzten Benzinpreis eingeführt. In den Nachbarländern stieg der Benzinpreis weiter und natürlich fuhren Österreicher*innen und Slowak*innen zum Tanken über die Grenze. Ungarische Regierungsvertreter*innen kündigten deshalb an, dass Ausländer*innen zukünftig den Marktpreis an der Tanksäule zahlen sollen. Der liegt knapp 40 % über dem gedeckelten ungarischen Preis liegt. Wer profitiert von einer solchen Spaltung und Konflikten zwischen Europäer*innen? Richtig: Wladimir Putin, der seit Jahren versucht, die EU zu destabilisieren.

Im Europäischen Parlament haben wir einen Weg aus der aktuellen Krise aufgezeigt. Am 18. Mai haben wir eine Resolution verabschiedet, die die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Kriegs in den Blick nimmt.

Wir fordern unter anderem:

  • dass der Energiebinnenmarkt, Energieeffizienz und erneuerbare Energieträger gestärkt werden, um Abhängigkeiten der EU zu beseitigen, ohne neue zu schaffen;
  • dass die Auswirkungen steigender Energiepreise auf finanziell schwächere Haushalte durch höhere Sozialausgaben und Einkommensbeihilfen abgemildert werden;
  • dass Maßnahmen zur Stärkung der Wohlfahrts- und Sozialschutzsysteme in der EU koordiniert werden;
  • und dass das europäische Kurzarbeitsprogramm SURE fortgesetzt und refinanziert wird.

Wir können stolz auf das sein, was wir als EU in den letzten Wochen erreicht haben. Obwohl die Energiepreise bereits durch die Decke gehen und die hohe Inflation uns im Nacken sitzt, konnten sich die EU-Staaten bereits in sechs Runden auf weitreichende Sanktionen gegen das russische Regime einigen. Putins Plan ist bisher nicht aufgegangen. Im Gegenteil: Anfang Juni haben die dänischen Bürger*innen in einem historischen Referendum entschieden, dass sich ihr Land zukünftig an der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik beteiligen wird. Die Dänen haben sich bisher immer skeptisch gegenüber einer verstärkten Zusammenarbeit in der EU gezeigt. Die Mitgliedstaaten rücken also zusammen und zeigen Bereitschaft in vielen Bereichen enger zusammenzuarbeiten, wie z.B. in der Energiepolitik.

Jetzt müssen wir sicherstellen, dass die Akzeptanz für die Sanktionen und die Solidarität mit den Ukrainer*innen weiterhin hoch bleibt. Als Europaabgeordnete werde ich mich dafür einsetzen, dass wir uns nicht nur um Sanktionspakete kümmern, sondern auch um konkrete Entlastungspakete für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen.


erschienen in Forum Juli 2022 (digital), Juli 2022