Mit voller Kraft fürs Vorkaufsrecht

Aus SGK Berlin
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Cansel Kiziltepe

von Cansel Kiziltepe, Mitglied des Deutschen Bundestages, Sprecherin der Landesgruppe Berlin in der SPD-Bundestagsfraktion, Parlamentarische Staatssekretärin im BMWSB

Wohnen ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Guter Wohnraum darf niemals Luxusgut sein. Dass die Realität auf kommunaler Ebene vielerorts – besonders bei uns in Berlin – jedoch anders aussieht, ist kein Geheimnis: Nicht nur in meinem Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost sind viele Menschen seit Jahren von steigenden Mieten und Verdrängung betroffen. Die Mieter*innen sind hierbei längst an ihrer Belastungsgrenze angelangt. Da die Schaffung und Sicherung einer hohen Wohn- und damit verbundenen Lebensqualität den Grundpfeiler unserer sozialdemokratischen Wohnungspolitik bildet, kämpfe ich nun auf Bundesebene und im ständigen Austausch mit kommunalen Initiativen aus meinem Wahlkreis für eine soziale Mieten- und Wohnungspolitik, die diesen Namen auch verdient.

Wichtiges Mittel einer solchen sozialen Politik stellte in den vergangenen Jahren das kommunale Vorkaufsrecht dar. In ausgewiesenen sozialen Erhaltungsgebieten, sogenannten Milieuschutzgebieten, haben Kommunen Grundstücksverkäufe auf Anzeichen von drohender sozialer Verdrängung hin geprüft. Wenn entsprechende Anzeichen erkennbar waren, konnten die Kommunen ihr Vorkaufsrecht geltend machen. Konkret bedeutete dies, dass den potentiellen Grundstückskäufer*innen zunächst die Möglichkeit gegeben wurde, sich durch eine Abwendungsvereinbarung den Zielen der sozialen Erhaltungsgebiete zu verpflichten: Etwa durch das Einhalten bestimmter Mietobergrenzen oder durch Grenzen bei der Umlage von Modernisierungskosten. Haben sich die potentiellen Käufer*innen mit solchen Abwendungsvereinbarungen nicht einverstanden gezeigt, so konnte die Kommune selbst ihr Vorkaufsrecht ausüben oder zugunsten einer dritten Partei, die sich zur Einhaltung der Ziele der sozialen Erhaltungssatzung verpflichtet. Bei uns in Berlin konnten seit 2017 städtische Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften mit Hilfe des Senats auf diese Weise insgesamt 2.674 Wohnungen erwerben, sowie durch 384 Abwendungsvereinbarungen etwa 10.700 Wohnungen erhaltungsrechtlich sichern. Ein großer Erfolg.

Doch mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 2021 wurde diese Anwendung und Auslegung des Vorkaufsrechts stark eingeschränkt: Befürchtet eine Gemeinde, dass private potentielle Grundstückskäufer*innen in Zukunft satzungswidrige Zwecke verfolgen würden, wie etwa mittels Luxussanierungen die Mieten zu erhöhen, so erkennt das Gericht dies nicht als Grund zur Aktivierung des Vorkaufsrechts an. Nun herrscht Unsicherheit bei der bisher weit verbreiteten Ausübung des Vorkaufsrechts. Wie relevant das Thema ist, zeigen hierbei nicht zuletzt zahlreiche Initiativen von Kommunalpolitiker*innen. Unterdessen hält der Druck des freien Marktes, Wohnhäuser insbesondere in Lagen mit sozial schwächerer Bevölkerungsstruktur zu erwerben und renditeorientiert zu verwerten, unvermindert an. Wer darunter leidet? Die Mieterinnen und Mieter in unseren Kommunen. Das darf nicht sein. Die Kommunen benötigen daher dringend Rechtssicherheit beim Vorkaufsrecht. Die Reaktivierung und rechtliche Absicherung des kommunalen Vorkaufsrechts im BauGB halten wir daher zum Schutz von Mieter*innen für dringend geboten.

Im SPD-geführten Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) haben wir daher mit Hochdruck an einer sozial-gerechten und rechtssicheren Lösung als Antwort auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gearbeitet: Unser Referent*innenentwurf sieht nun vor, den Kommunen grundsätzlich ein Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten einzuräumen. Dieses grundsätzliche Vorkaufsrecht soll weiterhin nur dann abgewendet werden können, wenn sich private Käufer*innen in einer Abwendungsvereinbarung den Zielen der Milieuschutzsatzung verpflichten. Die Anforderungen an diese Vereinbarungen sollen gesetzlich konkretisiert werden. Auf diese Weise wollen wir rechtlich absichern, dass private Investor*innen etwa dazu verpflichtet werden können im Rahmen einer bestimmten Geltungsdauer keine Umwandlung in Eigentumswohnungen oder Luxussanierungen durchzuführen.

Unser Entwurf befindet sich nun zur in der Abstimmung innerhalb der Bundesregierung. Dort werden wir uns – auch gegen den Widerstand den kleinsten Koalitionspartner, der zuweilen immer noch der Auffassung zu sein scheint, dass Wohnen eine Ware ist – mit Druck für eine solche Reaktivierung des kommunalen Vorkaufsrechts einsetzen. Unser Ziel ist es: Den Kommunen mit einem rechtlich abgesicherten und scharfgestellten Vorkaufsrecht wieder ein funktionierendes Instrument zu geben, um Verdrängung zu verhindern, die den sozialen Frieden gefährdet.


erschienen in Forum Juli 2022 (digital), Juli 2022