Unsere Vision von der Bezahlbaren Stadt

Aus SGK Berlin
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Raed Saleh

von Raed Saleh, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus Berlin

In wenigen Wochen geht die aktuelle Legislaturperiode des Berliner Abgeordnetenhauses zu Ende. Ein guter Zeitpunkt, um das Erreichte Revue passieren zu lassen. Neben der Corona-Pandemie war die vergangene Wahlperiode vor allem von einem Thema geprägt: der Frage, ob sich alle Berlinerinnen und Berliner in Zukunft ihre Stadt noch leisten können. Denn galoppierende Mieten und der Verlust der kleinen Geschäfte wie Schuster, Schneidereien oder auch der ein oder anderen Stammkneipe bereiten vielen Menschen Sorgen. Von Anfang an hat die SPD-Fraktion auch in dieser Legislatur alles darangesetzt, unserer Vision von der Bezahlbaren Stadt näher zu kommen.

Bei der Bildung viel erreicht

Gerade junge Familien haben wir durch zentrale finanzielle Erleichterungen spürbar entlastet. So muss jetzt kein Kind mehr in der Grundschule einem anderem beim Mittagessen zusehen. Alle Grundschulkinder bekommen ein kostenloses warmes Essen, niemand wird heute mehr von diesem wichtigen sozialen Gemeinschaftserlebnis ausgeschlossen. Auch die BVG kann jetzt jedes Schulkind in Berlin nutzen, egal wie dick der Geldbeutel der Eltern ist. Und auch die ersten beiden Hortjahre in der Grundschule sind kostenfrei. Wie wir finden, ein ganz zentraler Punkt für die Entlastung gerade junger Familien und Alleinerziehender. Wenn die Kinder klein sind, gibt es kaum jemanden, der nicht jeden Euro zweimal umdrehen muss. Mit unserer Entlastungsoffensive im Schulbereich sind wir unserer Vision von der Bezahlbaren Stadt ein gutes Stück nähergekommen. Darauf können wir wirklich stolz sein.

Mehr Schutz für MieterInnen

Berlin ist Mieterstadt. Vier von fünf Menschen in der Stadt wohnen zur Miete. Und so war, ist und bleibt das ganz große Thema für so gut wie alle Berlinerinnen und Berliner die Bezahlbarkeit ihrer eigenen vier Wände. In den vergangenen zehn Jahren sind die Mieten in ganz Berlin stark gestiegen und viele Menschen machen sich Sorgen, ob sie weiterhin im Zentrum der Stadt wohnen können. Die Idee des Mietendeckels geht auf eine Initiative der SPD zurück, wurde dann jedoch im Namen des gesamten Senats umgesetzt. Leider ist dieses Gesetz auf Betreiben der CDU vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gekippt worden. Mit der Begründung, dass dem Land Berlin in dieser Frage keine Gesetzeskompetenz obliege. Ich sage aber auch ganz deutlich: unser Weg wurde abgelehnt, aber das Ziel bleibt.

Und trotz des Urteils aus Karlsruhe hat der Senat natürlich dennoch einen Handlungsspielraum. So gilt der Mietendeckel weiterhin für die städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Aber auch Großunternehmen wie etwa der Vonovia-Konzern verzichteten nach der Entscheidung aus Karlsruhe auf Mietnachzahlungen.

Aber unser Ziel ist und bleibt natürlich, dass wir für alle Mieterinnen und Mieter in Berlin mehr Schutz schaffen. Wenn wir dies allein als Land Berlin nicht dürfen, dann müssen wir dies eben auf Bundesebene erreichen. Und genau deswegen sind die kommenden Wahlen in Berlin, aber auch auf Bundesebene so wichtig. Für die SPD wird der Mieterinnen- und Mieterschutz in der nächsten Bundesregierung ganz oben auf der Agenda stehen.

Was dies konkret bedeutet, haben wir in den vergangenen fünf Jahren in Berlin bewiesen. Wir haben darauf hingewirkt, dass die Milieuschutzgebiete in Berlin stark ausgeweitet worden sind. Inzwischen gibt es mehr als 70 solcher sozialen Erhaltungsgebiete, in denen strenge Vorschriften für die Sanierung von Mietwohnungen, deren Umbau oder das Zusammenlegen von Einheiten gelten. Um die soziale Verdrängung aus den Kiezen effizient zu stoppen, haben wir außerdem das Umwandlungsverbot noch einmal verschärft. So ist es nun nur noch unter erheblichem Aufwand und nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Bezirks möglich, dass Miethäuser in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Damit ist die Luxussanierung und die Gentrifizierung immer neuer Gebiete erheblich erschwert worden. Neben Vorschriften, Verboten und dem Neubau werden wir aber auch weiterhin versuchen, mit den großen Wohnungskonzernen im Gespräch zu bleiben und so immer neue Mietsteigerungen in den kommenden Jahren so weit wie möglich abzufedern.

Wie sich in den bisherigen Ausführungen zeigt, ist die Vision von der „bezahlbaren Stadt für alle“ eine knappe Formel, hinter der sich jedoch eine große Idee verbirgt. Wir wollen die Stadt in all ihren Facetten für die Menschen bezahlbar und damit lebenswert halten. Die grundlegende Philosophie dahinter ist, eine zutiefst sozialdemokratische, dass es in erster Linie der Staat ist, der den Menschen Schutz und Geborgenheit sichern kann. Gerade bei den grundlegenden Bedürfnissen der Menschen darf es nicht von den Launen einzelner abhängen, ob sich die Menschen noch eine Wohnung, Bildung, oder generell Teilhabe am gesellschaftlichen Leben leisten können.

Ein starker Staat schützt

In meinem Grundverständnis hat der Staat eine aktive Rolle. Er hat die Rolle zu regulieren, Grenzen zu setzen oder Anreize zu schaffen. Gerade in der Arbeits- und Sozialpolitik hat hier der Senat in Berlin erhebliche Spielräume, die wir ebenfalls in der vergangenen Legislatur genutzt haben. Wir haben dort, wo das Land Berlin Verantwortung trägt, die sachgrundlose Befristung abgeschafft. Weil: Jeder Mensch braucht eine Perspektive in seinem Job. Und auch gleiche Arbeit im gleichen Unternehmen muss gleich bezahlt werden. In meinen Augen ist das eine Selbstverständlichkeit. Und deswegen haben wir die sachgrundlose Befristung und die Ungleichbehandlung von Angestellten in manchen Unternehmen, in jedem Fall dort wo wir als Land Berlin Verantwortung tragen, beendet. Um unserer Vision der Bezahlbaren Stadt für alle noch einen Schritt näher zu kommen, haben wir den Landesmindestlohn auf 12,50 Euro angehoben. Wer für Berlin, für ein landeseigenes Unternehmen oder für ein Unternehmen, das Auftragnehmer beim Land ist, arbeitet, der hat nun einen Anspruch auf diesen Mindestlohn. Darauf bin ich sehr stolz, dass wir das geschafft haben. Aber es ist in meinen Augen ebenfalls eine Selbstverständlichkeit. Gute Arbeit muss gut bezahlt werden.

Auf Initiative der SPD ist darüber hinaus die Berlin-Zulage eingeführt worden. Monatlich 150 Euro mehr bekommen heute Landesbedienstete, wenn sie nicht in den höchsten Lohngruppen arbeiten. Polizistinnen, Feuerwehrleute, Angestellte in den Grünflächenämtern, Ordnungsämtern oder Baubehörden – für sie alle wird damit ihre eigene Stadt einen Schritt weit bezahlbarer. Flankiert wurde diese Erhöhung des Gehalts noch durch bessere Tarifverträge, die vielen Menschen in Berlin darüber hinaus das Leben zumindest finanziell erleichtern werden.

In den ersten Jahren der jungen Bundesrepublik verfestigte sich eine Vorstellung davon, wie die neue deutsche Gesellschaft aussehen sollte. Es entstand die Idee von der Sozialen Marktwirtschaft. Diese Idee geht auf den Konservativen Ludwig Erhard zurück. Aber sie wurde in ganz zentralen Punkten von sozialdemokratischen Kanzlern und MinisterInnen ausgearbeitet, weitergetrieben und umgesetzt. Wenn man so will, dann ist unsere „Vision von der Bezahlbaren Stadt für alle“ so etwas wie die Soziale Marktwirtschaft für Berlin. Ich finde, das ist eine Idee, an der wir auch in den kommenden fünf Jahren unbedingt weiter bauen und feilen müssen. Damit wir unserem Ziel noch näherkommen: einer Stadt für wirklich alle, in der alle gerne leben und sich niemand Sorgen um seine Existenz machen muss.


erschienen in Forum Nr. 106, September 2021