Bezirksverordnetenversammlung

Aus SGK Berlin

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) ist die Volksvertretung auf Ebene der Berliner Bezirke. Sie ist nach der Berliner Verfassung (Artikel 69–73) „Organ der bezirklichen Selbstverwaltung“ und damit Teil der Verwaltung, kein Parlament im Sinne einer gesetzgebenden Gewalt. Die Bezirksverordnetenversammlung jedes Bezirks besteht aus 55 Mitgliedern, die nach den Grundsätzen der Verhältniswahl im Höchstzahlverfahren (d’Hondt) gewählt werden. Es stehen nur Listenvorschläge von Parteien oder Wählergemeinschaften zur Wahl.

Ist ein Bezirkswahlvorschlag einer Partei oder Wählergemeinschaft erschöpft, so verringert sich die gesetzliche Mitgliederzahl der Bezirksverordnetenversammlung für die Wahlperiode entsprechend; eine Neuverteilung unbesetzter Sitze findet nicht statt.

Das Mandat von Bezirksverordneten endet mit Ablauf der Wahlperiode, ansonsten durch Niederlegung, Aberkennung oder mit dem Tode. Zudem erlischt das Mandat automatisch, wenn ein Bezirksverordneter zum Bezirksbürgermeister oder zum Bezirksstadtrat gewählt wird oder aus Berlin wegzieht.

Die aus einer zur BVV-Wahl aufgestellten Liste gewählten Kandidaten bilden eine Fraktion in der BVV, wobei eine Fraktion aus mindestens drei Bezirksverordneten bestehen muss.

Zu Beginn der Wahlperiode gibt sich die BVV eine Geschäftsordnung und wählt das Bezirksamt. An der Spitze der BVV steht der BVV-Vorstand, bestehend aus dem Bezirksverordnetenvorsteher, einem Stellvertreter und Beisitzern (siehe auch Konstituierung der BVV).

Die BVV setzt für ihre Arbeit Ausschüsse ein, denen neben Bezirksverordneten auch Bürgerdeputierte angehören können, die auf Vorschlag der Fraktionen von der BVV gewählt werden.

Zuständigkeiten der BVV

Die Zuständigkeiten der BVV sind im Einzelnen in §12 BezVG geregelt:

(1) Die Bezirksverordnetenversammlung bestimmt die Grundlinien der Verwaltungspolitik des Bezirks im Rahmen der Rechtsvorschriften und der vom Senat oder den einzelnen Mitgliedern des Senats erlassenen Verwaltungsvorschriften. Sie regt Verwaltungshandeln an durch Empfehlungen und Ersuchen, kontrolliert die Führung der Geschäfte des Bezirksamts, entscheidet in den ihr vorbehaltenen Angelegenheiten und nimmt die in diesem Gesetz vorgesehenen Wahlen, Abberufungen und Feststellungen vor. Sie kann über alle Angelegenheiten vom Bezirksamt jederzeit Auskunft verlangen.

(2) Die Bezirksverordnetenversammlung entscheidet über

  1. den Bezirkshaushaltsplan und die Genehmigung von über- und außerplanmäßigen Ausgaben;
  2. die Verwendung von Sondermitteln der Bezirksverordnetenversammlung;
  3. die Genehmigung der Bezirkshaushaltsrechnung unbeschadet der Entlastung durch das Abgeordnetenhaus auf Grund der Haushalts- und Vermögensrechnung;
  4. Rechtsverordnungen zur Festsetzung von Bebauungsplänen, Landschaftsplänen und anderen baurechtlichen Akten, die nach Bundesrecht durch Satzung zu regeln sind, sowie von naturschutzrechtlichen Veränderungsverboten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist;
  5. die Zustimmung zu Grenzberichtigungen;
  6. die Zustimmung zu Betriebssatzungen der Eigenbetriebe (§ 2 Abs. 1 Satz 2 des Eigenbetriebsgesetzes);
  7. die Zustimmung zum Erwerb und zur Veräußerung von Beteiligungen an privatrechtlichen Unternehmen (§ 65 Abs. 7 der Landeshaushaltsordnung);
  8. die bezirkliche Anmeldung zur Investitionsplanung;
  9. eine Bereichsentwicklungsplanung nach dem Gesetz zur Ausführung des Baugesetzbuchs, Anträge des Bezirks zur Änderung der Flächennutzungsplanung;
  10. die Errichtung, Übernahme und Auflösung bezirklicher Einrichtungen oder ihre Übertragung an andere Träger;
  11. Angelegenheiten, die der Bezirksverordnetenversammlung durch besondere Rechtsvorschrift zugewiesen sind.

(3) Die Bezirksverordnetenversammlung kann nach voraufgegangener Kontrolle (§ 17) oder im Falle des § 13 Abs. 2 Entscheidungen des Bezirksamts aufheben und selbst entscheiden; bereits entstandene Rechte Dritter bleiben unberührt.

Ausgenommen sind

  1. Einzelpersonalangelegenheiten;
  2. der Erwerb und die Veräußerung von Grundstücken;
  3. die ärztlich, zahnärztlich und tierärztlich bestimmten Tätigkeiten;
  4. die Durchführung und Sicherung der Erfüllung der Schulpflicht;
  5. Ordnungsangelegenheiten.

Die nach § 12 Abs. 1 Satz 2 BezVG gesetzlich vorgeschriebenen Wahlen und Abberufungen werden durch § 16 Abs. 1 und 2 BezVG konkretisiert. So wählt die BVV gemäß Abs. 1 die Bezirksamtsmitglieder, die Bürgerdeputierten, die Vertretungen im Verwaltungsrat der Eigenbetriebe, die Patientenfürsprecherinnen und Patientenfürsprecher sowie alle ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürger, soweit ihre Wahl den Bezirken zusteht. Letzteres umfasst z.B. die Schiedspersonen, die Sozialkommissionen oder den Widerspruchsbeirat in Sozialhilfeangelegenheiten. Die BVV kann die genannten Personen nach Abs. 2 auch vorzeitig abberufen.

(siehe auch Mandatsverteilung, Überhang- und Ausgleichsmandate, Drei-Prozent-Klausel)

Abwahl von Mitgliedern des BVV-Vorstandes

Die Abwahl eines Vorstandsmitglieds kommt grundsätzlich nicht in Betracht, da nach § 7 Abs. 1 BezVG der Bezirksverordnetenvorsteher, sein Stellvertreter und die übrigen Vorstandsmitglieder für die Dauer der Wahlperiode gewählt werden. Eine Abwahl ist nur ausnahmsweise bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich. Ein solcher wichtiger Grund kann in entsprechender Anwendung von § 86 VwVfG insbesondere dann angenommen werden, wenn das Vorstandsmitglied seine Pflicht gröblich verletzt, sich als unwürdig erwiesen hat oder seine Tätigkeit nicht mehr ordnungsgemäß ausüben kann. Ein Missbilligungsantrag oder ein Misstrauensvotum gegen ein Vorstandsmitglied sind aber mangels Rechtsgrundlage nicht zulässig. Bedenken oder Beschwerden gegen die Amtsführung eines Vorstandsmitgliedes können jedoch im Ältestenrat oder in nicht öffentlicher Sitzung der BVV vorgebracht und erörtert werden.

Beanstandung von Beschlüssen der BVV

Nach § 18 BezVG muss das Bezirksamt Beschlüsse der BVV beanstanden, wenn diese gegen Rechtsvorschriften, Verwaltungsvorschriften oder gegen eine vom Senat ergangene Eingriffsentscheidung (Eingriffsrecht) verstoßen. Die Beanstandung muss binnen zwei Wochen nach der Beschlussfassung erfolgen und hat aufschiebende Wirkung. Hiergegen kann die BVV binnen eines Monats die Entscheidung der Bezirksaufsicht beantragen. Da dieser Antrag formal über das Bezirksamt zu leiten ist, kann das Bezirksamt hierbei seine Beanstandung nochmals überprüfen.

Beschlüsse von Ausschüssen können nicht beanstandet werden, da diese sich mit Ausnahme des Jugendhilfeausschusses an das Plenum der BVV richten und ggf. von der BVV als eigener Beschluss angenommen oder abgelehnt werden kann.

Strittig ist, ob Ersuchen und Empfehlungen durch das Bezirksamt beanstandet werden können, da es sich hierbei „nur“ um Anregungen zum Verwaltungshandeln handele. Es obliegt dem Bezirksamt, dem Ersuchen oder der Empfehlung zu folgen oder nicht. Für den Fall, dass bei Nichtbefolgen die BVV von ihrem Selbstentscheidungsrecht Gebrauch macht, kann dieser Beschluss förmlich beanstandet werden. Es dürfte aber im Sinne der politischen Kultur zweckmäßiger sein, dass das Bezirksamt der BVV die Gründe ausführlich darlegt, aus denen es den Ersuchen oder Empfehlungen nicht nachkommen will.

siehe auch: Anträge in der BVV


Quelle: Berliner Kommunalpolitisches Lexikon, Stand: Januar 2020