Dachgeschossausbau

Aus SGK Berlin
Asad Mahrad

Resümee einer Diskussionsveranstaltung der SGK Berlin

von Asad Mahrad, stv. Vorsitzender der SGK Berlin

Am 12. September 2023 hat die Abteilung 61 Xhain zusammen mit der SGK Berlin eine Veranstaltung durchgeführt, um die Möglichkeiten sowie die Probleme bei der Schaffung neuen Wohnraums durch einen forcierten Dachgeschossausbau in Berlin zu diskutieren.

Der Dachgeschossausbau ist in den Berliner Bezirken unterschiedlich weit entwickelt. In den vergangenen Jahrzehnten sind im Zuge der Sanierung der Gebäudesubstanz nach der Wende im Bezirk Mitte und im Ortsteil Friedrichshain in einigen Gebieten über 50% der vorhandenen Bestandsgebäude mit Dachgeschosswohnungen ausgestattet worden. In anderen Bezirken Berlins, insbesondere in den westlichen, wurde der Dachgeschossausbau nicht unterstützt, teilweise sogar untersagt. In Berlin fehlen mittlerweile über 300.000 Wohnungen. Damit die Lage in der Stadt mit wachsendem Zuzug nicht weiter eskaliert, muss neu gebaut werden.

Zielgruppe des Vortrages waren BVV-Mitglieder der zwölf Berliner Bezirke, die Bürgerdeputierten der bezirklichen Bauausschüsse sowie fachlich interessierte Bürger*innen. Vier Sprecher, die über eine erstklassige Expertise zu der vorgenannten Materie verfügen, hatten einen fachbezogenen Vortrag vorbereitet. Der unterschiedliche berufliche Hintergrund der Experten ermöglichte es, die Thematik unter verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und die Sichtweise diverser Akteur*innen sichtbar zu machen.

Die Veranstaltung begann mit einem Vortrag von Thomas Meier (Leiter Oberste Bauaufsicht Berlin SenStadt i.R.), der hervorhob, dass nach seiner Auffassung die Stadt Berlin mehr Dichte vertrage, weil Berlin eigentlich keine sehr dicht bebaute Stadt sei. Wenn man vermeiden wolle, dass Freiflächen zur Bebauung ausgewiesen werden, müsse man entweder in die Höhe bauen oder das Dachgeschossausbaupotenzial nutzen. Im öffentlichen Diskurs stünden sich bei der Thematik der Nachverdichtung zwei Positionen gegenüber. Zum einen werde vertreten, dass die planungsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Erteilung einer Baugenehmigung zuerst gegeben sein müssen, zum anderen, dass zunächst die Wohnfolgeeinrichtungen (z.B. Kindergärten, Schulen) vorhanden sein müssen, bevor neuer Wohnraum geschaffen werden könne. Thomas Meier priorisiert dabei, dass zunächst die planungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben sein müssen, da hier der Faktor Zeit entscheidend sei. Aufgrund der Wohnraumangelsituation sei es schwierig, die langen planungsrechtlichen Prozesse zu verschieben, bis die Wohnfolgeeinrichtungen realisiert seien. Falls es hierbei zu einem tatsächlichen Versorgungsdefizit (z.B. fehlende Grundschulplätze) komme, müsse man ggfs. zu unkonventionellen Maßnahmen (z.B. Einrichtung eines Schulbusses) greifen, um Abhilfe zu schaffen.

Im Anschluss referierte Stefan Schauters (Bereichsleiter der Neubauabteilung der HOWOGE) über zwei im Jahr 2022 realisierte Dachgeschossaufstockungen im Bezirk Lichtenberg (Seefelder Straße) und Pankow (Franz-Schmidt-Straße 11-17), die als zwei- bzw. dreigeschossige Aufbauten auf jeweils 5-geschossige typengleiche Plattenbauten aufgesetzt wurden. Es entstanden auf diese Weise 22 sowie 28 Wohnungen. Dabei war dem Vortrag zu entnehmen, dass sich bestimmte Plattenbautypen gut für den Dachaufstockungsneubau eignen. Zudem könnte in Serienbauweise aufgestockt werden. Aufgrund des Kooperationsvorhabens mit dem Land Berlin wurden jeweils 50% dieser Wohnungen gefördert. Die Aufstockungen wurden in nachhaltiger Holz-Hybridbauweise durchgeführt. Aufschlussreich waren die Ausführungen zu den Kosten. So hat die HOWOGE für das Projekt in Lichtenberg in die Bestandsbaubauten während des Dachgeschossausbaus 357 Euro/m2 investieren müssen, 3.655 Euro/m2 fielen für die eigentliche Dachaufstockung an. Für das weitere Projekt in Pankow waren die Kosten noch höher, weil hier für alle Wohnungen die Barrierefreiheit geschaffen werden konnte. Dieser Umstand wirke sich auch auf das Mietniveau der Bestandsmieter aus. Wenn man die Baukosten für den Neubau auf landeseigenen Grundstücken mit den Kosten der Dachaufstockung vergleiche, komme man zu dem Ergebnis, dass Dachaufstockungen im Allgemeinen nicht günstiger seien als komplette Neubauten, selbst bei Einberechnung der Grundstückskosten. Baukostenreiber seien zudem bestimmte DIN-Normen, die im Neubau eingehalten werden müssten, faktisch aber nicht immer Sinn ergäben und teilweise konträr zu den angepeilten CO2-Zielen stünden.

Als dritter Redner klärte Dr. Dietmar Kreutzer (Referent für Baugenehmigungsverfahren im Bezirksamt Pankow für Einzelvorhaben) die Anwesenden über die vergangene und aktuelle Situation in seinem Bezirk auf. Da im Ostteil Berlins kein Baunutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) aufgestellt worden sei, erfolgten die meisten Bauanträge auf der Grundlage von § 34 BauGB (Einfügungsnorm). Die meisten Anträge waren daher Dachgeschossausbauten. Zurzeit sei ein starker Rückgang der Anträge festzustellen, was an den erheblich gestiegenen Baukosten liege. Noch rückläufiger sei dann die tatsächliche Umsetzung der beantragten und genehmigten Bauanträge. Hier sei festzustellen, dass ein Dachgeschossausbau praktisch nur noch von sehr solventen Bauherren auch tatsächlich realisiert werde. Die reinen Baukosten, d.h. ohne Grundstückskosten, haben sich seit 2010 vervielfacht. 2010 betrugen sie durchschnittlich etwa 1.000 Euro/m2, sind also mit den heutigen reinen Baukosten, die ja bereits im vorigen Vortrag für ein größeres Projektvorhaben beziffert wurden, nicht mehr vergleichbar. Die Coronasituation sowie der Krieg in der Ukraine hätten die Situation aufgrund der gestiegenen Zinsen sowie des Baustoffmangels zusätzlich verschärft, eine Problemlage auf Investorenseite gab es aber schon vor 2020. Die Stimmung bei privaten Investoren sei aufgrund politischer Unsicherheiten, wie beispielsweise der Diskussion um den „Mietendeckel“ und das in der Öffentlichkeit transportierte Bild des Vermieters als „Miethai“ nicht förderlich Außerdem gebe es infolge der ausgeprägten Bürokratie und geänderter Bestimmungen zeitliche Verzögerungen und zusätzliche Kosten im Baugenehmigungsverfahren. Insbesondere kleinere Projekte im Dachgeschossbau mit zwei oder drei Wohnungen rechneten sich zurzeit kaum noch.

Zum Schluss wurde den Zuhörenden noch ein Überblick über die Situation im Genossenschaftsbau durch Dirk Enzensberger (Mitglied des Vorstands der Wohnbaugenossenschaft „Charlotte 1907 e.G.) gegeben. Zu Beginn des Vortrags wurde der Unterschied zwischen den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften und den Wohnungsgenossenschaften dargestellt und darauf verwiesen, dass sich die Genossenschaften selbständig finanzierten. Die Durchschnittsmiete bei den Wohnungen der „Charlotte 1907 e.G.“ betrage 5,78 Euro, wobei hier bereits die teureren Mieten der Neubauten mit eingerechnet seien. Die finanziellen Spielräume seien allerdings eher gering. Er appelliert an die Politik, bei beabsichtigten Gesetzesvorhaben bezüglich Regulierungen der Mieten auch die tatsächlichen Auswirkungen auf die Genossenschaften im Blick zu haben.

Die Charlotte 1907 e.G.“ errichtet zurzeit 110 neue Dachgeschosswohnungen in zweigeschossiger Bauweise auf bereits bestehende Bestandsgebäude in Berlin-Steglitz (Lessingstraße) mit einem hohen Investitionsvolumen in den Neubau und in den Bestand. Es werden die Probleme erläutert, die mit einem solchen umfassenden Ausbau verbunden sind. So hat sich beispielsweise die Genehmigung eines beantragten Fahrstuhls über 1,5 Jahre hingezogen. Allerdings werden auch die Synergieeffekte des Projekts hervorgehoben, da der Bestand faktisch die Ausbaukosten mittrage. Die zukünftigen energetischen Sanierungskosten für die Bestandswohnungen bis 2045 werden im günstigsten Fall mit 140 Millionen Euro und im ungünstigsten Fall mit 280 Millionen Euro beziffert, da neben den energetischen Optimierungsmaßnahmen mutmaßlich auch Denkmalschutzgesichtspunkte zu berücksichtigen seien. Dieses Geld fehle dann zukünftig der Genossenschaft, um weitere Neubauprojekte zu finanzieren.

Im Anschluss an die jeweiligen Vorträge erfolgte eine lebhafte Diskussion.

Fazit:

Übereinstimmend kann festgesellt werden, dass zurzeit kleine Projekte im Dachgeschossausbau unter den derzeitigen Rahmenbedingungen nicht rentabel zu realisieren sind. Die aktuellen Baukosten sind so hoch, dass sich der Ausbau ausschließlich für die private Selbstnutzung sehr solventer Bauherren eignet. Für private Investoren ist es derzeit kaum möglich, für den normalen Mietmarkt entsprechende Wohneinheiten zu schaffen.

Größere Projekte unter Beteiligung von landeseigenen bzw. genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen können dagegen effizienter umgesetzt werden, da hier im größeren Rahmen, zwei- oder dreigeschossig, auf bereits bestehende Immobilienbestände aufgestockt werden kann. Insbesondere im Ostteil der Stadt gibt es zahlreiche Typenbauten in Plattenbauweise des ehemaligen komplexen Wohnungsbaus der früheren DDR, die sich für einen seriellen Dachgeschossausbau eignen könnten. Wie hoch das tatsächliche Potential im gesamten östlichen Teil Berlins ist, muss noch ermittelt werden. Untersucht werden sollte auch, wie hoch das Dachgeschossausbaupotential im westlichen Teil der Stadt ist, insbesondere die Aufstockungsmöglichkeiten des 1950er- und 1960er-Baubestandes. Den Vorträgen konnte man entnehmen, dass im Rahmen der Dachaufstockungen zugleich der Altbestand technisch ertüchtigt und energetisch modernisiert werden kann. Somit werden die allgemeinen Standards im Wohnungsbestand erhöht. Auch hier könnte in Teilen in Typenbauweise die Dachgeschossaufstockung vorgenommen werden, um Kosten zu reduzieren. Berücksichtigt werden muss dabei aber immer auch, dass die Mieten weiterhin für die Bestandsmieter*innen tragbar sind und durch die Modernisierungen keine Verdrängung stattfindet. Um dieses zu erreichen, sollten entsprechende Förderprogramme aufgelegt werden, um die Modernisierung sowie insbesondere energetische Sanierung der Gebäudesubstanz voranzutreiben, um die vorgegebenen Klimaschutzziele bis 2045 einzuhalten. Die Chance der umfassenden Sanierungen inklusive des Dachgeschossaufbaus fördert zudem den Umbau der Bestände in altersgerechte bzw. barrierefreie Wohnungen.


erschienen in Forum Nr. 109, Oktober 2023