Bürgerbeteiligung

Aus SGK Berlin

Unter Bürgerbeteiligung versteht man zunächst die Einbeziehung der Meinungen und Einwände von Bürgerinnen und Bürgern bei Bauvorhaben im Rahmen der „Frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung und bei der „Öffentlichen Auslegung von Bebauungsplänen“ gemäß § 3 Abs. 1 bzw. 2 Baugesetzbuch (BauGB).

Der Begriff wird aber in letzter Zeit mehr und mehr im umfassenden Sinne einer Beteiligung und Mitwirkung von Menschen an der Ausgestaltung des demokratischen Gemeinwesens verwendet. Vor dem Hintergrund zunehmender Steuerungsprobleme der öffentlichen Hand im Zuge von Haushaltseinsparungen und Legitimationsdefiziten (Wahlenthaltung, Politik- oder Parteienverdrossenheit) einerseits und einer immer stärker von bürgerschaftlichem Selbstbewusstsein bestimmten Bevölkerung andererseits zeichnet sich ein deutlicher Trend zu mehr Bürgerbeteiligung ab.

Aus der Sicht von Politik und Verwaltung bringt erfolgreiche Bürgerbeteiligung einige Vorteile mit sich, da sie

  • die Qualität von Planungsergebnissen erhöht,
  • am tatsächlichen Bedarf vorbeigehende Investitionen [vermeiden hilft],
  • zum Interessenausgleich zwischen Verwaltung und Betroffenen oder zwischen verschiedenen Gruppen vor Ort beiträgt,
  • die Nutzung von öffentlichen Einrichtungen [verbessert],
  • den pfleglichen Umgang mit öffentlichem Gut befördert und/oder
  • das Interesse an bürgerschaftlichem Engagement auf eine breite Grundlage stellt.

Vor diesem Hintergrund fächert sich Bürgerbeteiligung in ein breites Spektrum von Anwendungsfeldern auf. In Berlin sind dies in erster Linie Stadt- und Freiraumplanung, Beteiligung an Bürgerhaushalten, Beteiligung an der Vergabe von Stadtteilbudgets bzw. Quartiersfonds, Unterstützung von Netzwerken und bürgerschaftlichem Engagement, Kinder- und Jugendbeteiligung und E-Partizipation (Quelle: SenStadt, Handbuch zur Partizipation).

Mittlerweile sind zahlreiche Methoden zur praktischen Durchführung von Partizipationsverfahren entwickelt worden, darunter Runde Tische, Planungszellen, Zukunftswerkstätten, Online-Dialoge, Fokusgruppengespräche, Bürgerpanels und Bürgerversammlungen (Quelle: SenStadt, Handbuch zur Partizipation). Sie unterscheiden sich teilweise erheblich hinsichtlich Zielsetzung, Teilnehmerzahl und Aufwand. Eine genaue Abwägung, welche Methode in welcher Situation angewandt werden soll, ist daher wichtiger Bestandteil von Beteiligungsverfahren.

siehe auch: Bürgerhaushalt, Bürgerkommune, Mitwirkung der Einwohnerschaft, Quartiersmanagement, Soziale Stadt

Bürgerbegehren und Bürgerentscheide

sind Instrumente zur Ergänzung der repräsentativen Demokratie durch direktdemokratische Elemente auf Bezirksebene. Sie wurden mit dem 7. Änderungsgesetz zum Bezirksverwaltungsgesetz nach einer im Sommer 2005 verabschiedeten Änderung der Verfassung von Berlin durch Beschluss des Abgeordnetenhauses von Berlin eingeführt.

Alle Wahlberechtigten eines Bezirks können ein Bürgerbegehren initiieren und beantragen. Dabei muss es sich um eine Angelegenheit handeln, die von der BVV nach den §§ 12 und 13 BezVG entschieden werden kann. Über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens entscheidet das Bezirksamt innerhalb eines Monats. Bei Ablehnung ist der Klageweg zum Verwaltungsgericht gegeben.

Das Bürgerbegehren ist zustande gekommen, wenn es innerhalb von sechs Monaten nach dem Zulassungsbeschluss des Bezirksamts von drei Prozent der bei der vorangegangenen Wahl Wahlberechtigten unterschrieben worden ist. Diese Bürgerinnen und Bürger müssen am Tag ihrer Unterschrift zur BVV wahlberechtigt sein.

Ist ein Bürgerbegehren zustande gekommen, dürfen bis zum Abschluss des Verfahrens keine dem Begehren entgegenstehende Beschlüsse im Bezirk gefasst werden.

Der Bürgerentscheid folgt dem erfolgreichen Bürgerbegehren innerhalb von vier Monaten, falls die BVV dem Bürgerbegehren nicht innerhalb von zwei Monaten nachgekommen ist. Zu dem Bürgerbegehren kann die BVV ihre entgegenstehende Meinung ebenfalls zur Abstimmung stellen. Die Fragen müssen eindeutig mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können. Zur Sache muss das Bezirksamt alle Haushalte gleichrangig mit den Argumenten beider Seiten informieren.

Der Bürgerentscheid findet an einem Sonn- oder Feiertag statt und verläuft wie eine Wahl. Abstimmungsberechtigt sind alle zur BVV Wahlberechtigten. Auch Briefabstimmung ist möglich.

Die BVV ist ebenfalls berechtigt, einen Bürgerentscheid durchführen zu lassen. Zu dem Beschluss wird eine Zweidrittelmehrheit der BVV-Mitglieder benötigt.

Der Bürgerentscheid ist zustande gekommen, wenn sich mindestens 10% der Abstimmungsberechtigten beteiligten und mit Mehrheit zugestimmt haben. Der erfolgreiche Bürgerentscheid hat die Rechtswirkung eines BVV-Beschlusses.

siehe auch: Volksbegehren und Volksentscheid


Quelle: Berliner Kommunalpolitisches Lexikon, Stand: 2016